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Der Räuber Hotzenplotz zum Austoben

Großmutters Stube, Bild: Angelika Engel und Anika Birker.
Großmutters Stube, Bild: Angelika Engel und Anika Birker.

 

 

Oft muten Museen staubig und steif an: lange Texte und unbedingte Stille können sterbenslangweilig sein – vor allem für junge Besucher*innen. Die “Räuber Hotzenplotz”-Ausstellung im ‚Jungen Schloss‘ bietet das genaue Gegenteil: hier ist Platz zum lautstark Austoben!

 

 

Wunderbaum, Bild: Angelika Engel und Anika Birker.
Wunderbaum, Bild: Angelika Engel und Anika Birker.

Mit dem 2010 eröffneten Kindermuseum im Alten Schloss in Stuttgart füllt das selbsternannte ‚Junge Schloss‘ eine Nische und spricht eine ganz neue Zielgruppe an. Seit nun mehr acht Jahren kreiert das Team des ‚Jungen Schlosses‘ parallel zu den Darbietungen für die großen Besucher*innen, Inszenierungen, welche Kindern die Themen der Hauptausstellung einfach erklären. So entstand passend zu der Zarenausstellung die Kinderausstellung „Märchen in Russland“ oder zur Schwaben-Ausstellung die „Sieben Super-Schwaben“. Die diesjährige „Räuber Hotzenplotz-Ausstellung“ stellt jedoch einen Ausbruch aus dieser Tradition dar. In Kooperation mit dem Telemann-Verlag entstand eine faszinierende Mitmachaustellung rund um das erste Räuber Hotzenplotz -Buch von Otfried Preußler. In neun kleinen Räumen und Stationen wird den Kindern die Geschichte des wilden Räubers und seiner Gegenspieler erzählt. Sinn der Ausstellung soll es nach dem Kurator und Diplompädagogen Christoph Fricker sein, Kindern alles ganz einfach zugänglich zu machen ohne dass dabei belehrend der Zeigefinger gehoben wird.

 

 

Erinnerungsvitrinen und Wunschbäume 

In den abgetrennten und farblich angepassten Räumen werden die einzelnen Orte der Geschichte nachempfunden. Begonnen wird in Großmutters Stube, in der die Kaffeemühle von Räuber Hotzenplotz gestohlen wurde. Die satten Farben aus den 70er-Jahren und das Licht unterstützen die Atmosphäre der einzelnen Räume. Da es sich beim Alten Schloss um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt, sind alle Wände und Räume fest installiert. Im Eingangsbereich findet sich Platz, um die Schuhe gegen Socken einzutauschen und eine große Liegewiese, die zum Vespern und Pause machen einlädt. Bereits auf dem Gang, der zur Ausstellung führt, werden die Besucher*innen in das Thema eingeführt. An der Wand befinden sich mehrere Bilder mit der Unterschrift „Gesucht wird Räuber Hotzenplotz“. Neben dem Flyer-Ständer steht „Mitnehmen strengstens erlaubt“, was auf die Geschichte des Räuber Hotzenplotz` anspielt, in der häufig „strengstens verboten“ vorkommt. Räuber Hotzenplotz versucht so seine Höhle vor ungebetenen Gästen zu schützen. Die Umkehrung zu ”strengstens erlaubt” lädt dann auf humorvolle Weise in die eigene Höhle der Ausstellung ein. Hierzu muss man zuerst einmal das große Eingangstor passieren. Dahinter laden zahlreiche Mitmachstationen zum Ausprobieren ein. 

 

Otfried Preußler - Infotafel, Bild: Angelika Engel und Anika Birker.
Otfried Preußler - Infotafel, Bild: Angelika Engel und Anika Birker.

 

Thematisch ist die Reihenfolge der Missionen an die Chronologie der Geschichte des ersten Bandes angepasst. Zuerst beginnen die Kinder ihren Rundgang in Großmutters Stube. Hier findet sich eine Vitrine mit verschiedenen Objekten, wie beispielsweise Muscheln aus dem Urlaub oder kleine Schmuckstücke. Diese Gegenstände haben die Kinder, während ihres Besuches, dort selbst hineingelegt. Mit der Vitrine wird den kleinen Besucher*innen das museale Thema des Bewahrens nähergebracht. In den folgenden Räumen finden sich weitere Aktivstationen, wie ein Laufband, um das Gold für Seppels Lösegeld zu transportieren, Matten, um eine Höhle zu bauen, Zauberspiegel und vieles mehr. Die Stationen sind selbsterklärend und so gehalten, dass die Kinder ermutigt werden, Dinge anzufassen und auszuprobieren. Eine Besonderheit ist der Wunschring. Hier können die Kinder ihre ganz besonderen Wünsche aufschreiben und an die Äste eines Baumes hängen. Die Zettel werden zum Ende des Tages gesammelt und im Eingangsbereich auf einer Schnur aufgereiht ausgestellt. So bleiben sie erhalten und werden zu einem Teil der Ausstellung.

 

Der Einsatz von digitalen Medien ist gering gehalten. Außer einem digitalen Bilderrahmen und kleinen Animationen finden sich kaum moderne Medien in der Ausstellung. Nach Fricker brauchen Kinder nicht noch mehr Technik: „Die Ausstellung muss nicht der letzte Schrei sein, sondern Spaß bringen.“

 

 

In einem separaten Raum wird zuletzt noch dem Autor Otfried Preußler gedacht. Es werden sowohl ein paar Dokumente aus seinem Nachlass als auch viele Gegenstände von seinem Schreibtisch ausgestellt. Hier finden sich beispielsweise das Aufnahmegerät, das er auf seinen musischen Waldspaziergängen dabeihatte oder Alltagsgegenstände, die er alle sorgfältig mit einem Etikett benannt hat. Preußler stammte aus einer Lehrerfamilie. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass viele seiner Werke pädagogische Hintergründe aufweisen. Die Fantasie der kleinen Besucher anzuregen und ihre eigene Geschichte mit denen seiner Figuren zu verknüpfen, hätten ihm sicher gefallen. Er selbst suchte immer nach dem idealen “entdeckerischen” Zugang für junge Lernende. Das beste Beispiel ist hierfür das Spiel „Wörter verdrehen“.  Die Kleinen können verschiedene auf eine Rolle geschriebene Wörter hin und her bewegen und schaffen damit verrückte, neue Wörter. Zugleich bekommen sie aber auch ein Gefühl, welche Wortschöpfungen Sinn machen und welche sich nur lustig anhören.

 

Eine der vielen Aktivstationen, Bild: Angelika Engel und Anika Birker.
Eine der vielen Aktivstationen, Bild: Angelika Engel und Anika Birker.

 

Angebote

Mitmachstationen, Stempelkarten, Workshops, sogenannte “Highlight-Veranstaltungen” und Führungen bieten reichlich Raum zum Entdecken. Eine Besonderheit ist die Entdeckungsreise für Schulen und andere Gruppen. Eingerahmt in eine Einführungs- und Endsitzung können die Kinder alles selbst erkunden. Zusätzlich können Workshops gebucht werden, die an das jeweilige Alter der Kinder angepasst sind. Das Museum hält hierfür sogar einen extra Raum bereit. Dieser bietet mit Waschbecken, Spülmaschinen und zahlreichen Bastelutensilien jede Menge Platz, um sich auszutoben. Jedes Angebot ist auf die Neugierde, die mit dem Kindsein einhergeht, abgestimmt.

 

 

Kindheit wie sie sein soll

Ein Museum, in dem die kleinen Besucher*innen erleben und entdecken dürfen und dabei so sein können wie Kinder nun einmal sind: neugierig, verspielt und dabei meist etwas lauter. Das Museum ‚Junges Schloss‘ bietet eine Lernatmosphäre zum Wohlfühlen. Es ist dabei definitiv ein Vorbild in Bezug auf die Einbindung von Kindern und legt auf den pädagogischen Aspekt des “Entdeckens” besonderen Wert. Kinder lernen spielerisch neue Dinge und trainieren dabei ganz nebenbei ihre Feinmotorik. Hier findet sich allerdings auch der größte Kritikpunkt. Viele der Spielstationen sind für Kinder mit körperlichen Einschränkungen schwer zugänglich. So können Besucher*innen, die beispielsweise in einem Rollstuhl sitzen nicht das Highlight der Räuberhöhle erkunden: eine große Wendeltreppe, die die Kinder hinaufklettern, um die singende Kaffeemühle zu finden. Auch Kindern mit einer Seh- oder Hörbehinderung ist der Besuch nicht zu empfehlen. Das Erleben ist hier ganz konkret auf alle fünf Sinne ausgelegt. Ohne sehen und hören zu können währen beispielsweise die Spielstationen, wie der Zauberspiegel oder der Krötenkeller unzugänglich.

 

Durch das Thema des Bewahrens werden die Kinder auf spielerische Art und Weise an die Thematik des Museums herangeführt. Die Vitrine, in der die Kinder Gegenstände stellen können, stellt eine Analogie zur klassischen Museumsvitrine dar. Somit begreifen die Kinder den Wert der enthaltenen Gegenstände.
Ebenso vermittelt die Ausstellung das Thema Literatur auf kindgerechte Art. Kinder können sich als Akteur*innen einer Geschichte fühlen, indem sie in verschiedene Rollen schlüpfen und sich darin ausprobieren können. So stehen beispielsweise Kostüme bereit oder Aufgaben, die gelöst werden müssen, um damit den jeweiligen Figuren zu helfen.

 

Das Kindermuseum selbst beschreibt seine Philosophie auf seiner Homepage mit den Worten: „Über Kindermuseen gibt es viele unterschiedliche pädagogische Ansätze, die im Sinne Pestalozzis eine Vermittlung mit Herz, Kopf und Hand anstreben. […] Ihren Ursprung haben Kindermuseen aus einer Intention heraus, das Museum als Bildungsort zu nutzen und diesbezüglich für Kinder attraktiv zu machen. Während in Museen, die aus unterschiedlichen Sammlungen entstanden sind, die Original-Objekte im Vordergrund stehen, legt das Kindermuseum seinen Schwerpunkt auf den Aspekt der Vermittlung.“ Dem können wir nur vollends zustimmen.

 

Eine Rezension von Angelika Engel und Anika Birker

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Daten im Überblick

Museum: Junges Schloss – Das Kindermuseum in Stuttgart

Ausstellung: Räuber Hotzenplotz

Zeitraum: 20.10.2018 bis 23.06.2019

Altersempfehlung: für Kinder ab vier Jahren und ihre Familien

 

Kontakt: Altes Schloss, Schillerplatz 6, 70173 Stuttgart

Öffnungszeiten: Di. - Fr.: 10-17 Uhr, Sa./So./Feiertage/Ferien: 10-18 Uhr, Mo.: Ruhetag (außer an Feiertagen)

Eintrittspreise: 

Kinder (4-17 Jahren) 2€, Erwachsene 3,50€, Ermäßigt 2,50€

Familienkarte Groß 9€, Familienkarte Klein 5,50€, Gruppenkarte (ab10K.) 1,50€

Link zur externen Homepage: www.junges-schloss.de

Besonderheiten:
  • barrierefrei
  • Spielstationen stärken Motorik und Feingefühl der Kinder
  • oft hohes Besucheraufkommen: Beachten Sie die Hinweise auf der Website des Museums


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