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Ein Schluck Freiheit – Der Cuba Libre und seine Geschichte(n)

Teil 1: Imperialer Zutatenmix - Der mächtige Nachbar im Norden und das Ende des ersten Weltreichs 


Bild: Max Witzler/ Clara Kessler.
Bild: Max Witzler/ Clara Kessler.

Cuba Libre!“ – freies Kuba. Nicht viele Longdrinks tragen den Schlachtruf von Unabhängigkeitskämpfen als Namen. Um seine Erfindung ranken sich viele Mythen. Das Mixgetränk aus Rum und Cola wurde wohl zum ersten Mal um 1900 genossen und trat seitdem einen Siegeszug in Bars weltweit an. Dabei ist wahrscheinlich nur wenigen bewusst, dass der beliebte Cocktail wie kein anderer die bewegte Entwicklung Kubas verkörpert. Der Name deutet bereits an, dass seine Entstehungsgeschichte eng mit dem kubanischen Unabhängigkeitskampf verknüpft ist. Doch die Entwicklung des Kultgetränks hängt auch mit der Geschichte von Firmenimperien und dem Niedergang und Aufstieg ganzer Weltreiche zusammen.

 

Es ist der Morgen des 3. Juli 1898. In der tropischen Hitze des südwestlichen Kubas bahnt sich eine Entscheidungsschlacht an, die für die Zukunft mehrerer Nationen dies- und jenseits des Atlantiks und sogar im entfernten Pazifik wegweisend sein wird. Ein Geschwader der spanischen Armada war Ende Mai von der US-Navy bei Santiago de Kuba eingeschlossen worden. Nachdem Nachrichten von der Landung US-amerikanischer Truppen im nahgelegenen Daiquiri (ebenfalls Namensgeber eines bekannten Cocktails) die Runde machten, sahen sich die Spanier unter Admiral Pascual Cervera zum Handeln gezwungen, denn sie wollten nicht von den Amerikanern zu Land und zu Wasser eingekesselt werden. Doch der Durchbruchsversuch scheiterte grandios und wurde in der spanischen Öffentlichkeit treffend als „el desastre“ bezeichnet. Die Marine, die über Jahrhunderte eine prägende Rolle in der Karibik gespielt hatte, war damit entscheidend geschlagen - der Spanisch-Amerikanische Krieg aus iberischer Sicht verloren. Im Dezember 1898 hielten die Kontrahenten im Vertrag von Paris fest, dass Madrid die Philippinen, Puerto Rico und Guam an Washington abtreten muss. Kuba wurde offiziell unabhängig, aber von US-Truppen besetzt und in Folge immer stärker amerikanischem Einfluss unterworfen. Damit markierte das Ende des Spanisch-Amerikanischen Kriegs auch das Ende des ersten globalen Reichs der Geschichte. Vom ehemals größten Imperium der Welt verblieben lediglich ein paar Inseln und Küstenregionen in Nord- und Zentralafrika unter der Kontrolle Madrids. Doch mit dem spanischen Niedergang ging gleichzeitig auch der Aufstieg der neuen Kolonialmacht USA einher, die nach den Eroberungen großer Gebiete Nordamerikas keineswegs saturiert war und nun neue Territorien und Märkte jenseits des Festlands erschließen wollte. Die Folgen dieser Wachablösung bekam kaum ein Land so stark zu spüren wie Kuba, denn beide Mächte prägten das Land nachhaltig.

 

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war in vielen Teilen Lateinamerikas vom Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung geprägt. Inspiriert von den revolutionären Vorbildern aus den USA, Frankreich und Haiti nahm die Unzufriedenheit auch innerhalb der iberischen Kolonien zu. Die spanische Kolonialherrschaft hatte sich als reformunwillig erwiesen, war antiquiert und zeichnete sich durch einen Mangel an Mitbestimmungsmöglichkeiten durch die Bevölkerung aus. Als sich die Kolonialmacht im Zuge der napoleonischen Kriege selbst in einem Befreiungskampf befand, war sie zu geschwächt, um die Kontrolle über einen Großteil ihrer Kolonien weiterhin aufrecht zu erhalten. Bis 1826 verlor Madrid alle Besitzungen auf dem amerikanischen Festland. Dieses Machtvakuum nutzten die USA, um 1823 mit der Monroe-Doktrin die „westliche Hemisphäre“ (damit war der amerikanische Doppelkontinent gemeint) zu ihrem Einflussbereich zu erklären. Auch wenn der junge Staat den Europäern militärisch und wirtschaftlich noch wenig entgegenzusetzen hatte, legte US-Präsident James Monroe damit den Grundstein für das Washingtoner Selbstverständnis als Hegemon Amerikas.

 

Das „immer treue“ Kuba war derweil bei Spanien verblieben und entwickelte sich in der Folge zu dessen wichtigster Kolonie. Von überragender wirtschaftlicher Bedeutung war die größte Karibikinsel vor allem aufgrund ihrer Zuckerindustrie. Obwohl die Spanier die Zuckerrohrpflanze bereits in den 1520er-Jahren auf Kuba etabliert hatten, erlangte die Insel erst im 19. Jahrhundert ihre herausragende Stellung im weltweiten Zuckerhandel. Viele französische Pflanzer waren infolge der erfolgreichen Sklavenrevolution auf Haiti (1791–1804) auf die westliche Nachbarinsel geflohen und hatten ihr Wissen um die Zuckerherstellung mitgebracht. Daraufhin kam es zu einem regelrechten Boom und Kuba wurde zum weltgrößten Zuckerproduzenten. Trotz des Aufschwungs nahm die Unzufriedenheit aus unterschiedlichen Gründen zu. So wurde das „weiße Gold“ auf zahlreichen Plantagen gewonnen, die von afro-karibischen Sklaven unter oft menschenunwürdigen Bedingungen bewirtschaftet wurden. Von den Erträgen profitierten dabei vor allem spanischstämmige und kreolische Eliten, die jedoch wiederum die hohe Abgabenlast an Madrid monierten. So begann auch auf Kuba die antikoloniale Stimmung unterschwellig zu gären. Den Auftakt zu einer Serie von insgesamt drei Unabhängigkeitskriegen machte der reiche Zuckerbaron Carlos Manuel de Céspedes, als er am 10. Oktober 1868 all seine Sklaven in die Freiheit entließ und zum Aufstand aufrief. Die Kämpfe wurden in den darauffolgenden Jahrzehnten teils brutal geführt, wobei Spanien, trotz wechselnder Erfolge, langfristig die Oberhand behielt. Erst die US-amerikanische Intervention 1898 sorgte für eine Entscheidung zugunsten Kubas, das damit zumindest offiziell seine völkerrechtliche Souveränität erlangte.

 

Unabhängig wurde Kuba damit aber keineswegs, da es direkt US-amerikanischer Kontrolle unterstellt wurde. Diese hatten sich innenpolitisch konsolidiert und sahen sich nun in der Lage, der Monroe-Doktrin eine aggressivere, imperialistische Interpretation zu verleihen. Nach einer dreijährigen Besatzungszeit zwang Washington die neugegründete kubanische Republik dazu, das Platt-Amendment in ihre Verfassung aufzunehmen, was den USA weitreichende Interventionsmöglichkeiten zusprach und Kubas Selbstbestimmungsmöglichkeiten signifikant einschränkte.

 

Ein Beitrag von Max Witzler



Literatur:

Kroener, Stephan, „Auf ein freies Kuba!“, in: g-geschichte, hrsg. Franz Metzger, September 2021.

Kroener, Stephan, „Der Griff nach Kuba“, in: spektrum, Heidelberg 2021, URL: https://www.spektrum.de/news/us-expansionismus-der-griff-nach-kuba/1841728 (25.05.2023).

McDaniel, Jared/ Anistatia Miller: Spirit of the Cane – The Story of Cuban Rum, London 2017.

Schoultz, Lars, “Benevolent Domination: The Ideology of U.S. Policy Toward Cuba,” Cuban Studies Vol. 41 (2010), pp. 1-19.

Tickner, Arlene, “Autonomy in Latin American International Relations Thinking.” In Routledge Handbook of Latin America in the World, edited by Jorge Domínguez and Ana Covarrubias, 74–84. New York 2015.

Zavatto, Amy, “The History and Secrets of the Cuba Libre”, in: liquor, New York 2020, URL: https://www.liquor.com/articles/cuba-libre/#:~:text=As%20the%20story%20goes%2C%20in,that%2C%20a%20legend%20was%20born. (25.05.2023).

 

 

Link zum Bacardi Werbespot von 2012: https://adage.com/article/news/bacardi-ad-creates-rum-coke-history/241559 (25.05.2023).


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Aktuelle Kategorie:

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