Gold ist für die Menschheit immer schon ein Symbol für Reichtum und Erfolg gewesen. Auch fungiert Gold als Symbol der Macht und des Einflusses durch seine Nutzung für Throne, Kronen oder Kronjuwelen. Seine Farbe erinnert die Menschen an die Sonne, wodurch es eine göttliche und ewige Dimension erhält.[1] Vor allem im 19. Jahrhundert setzte der Traum vom Gold und vom schnellen Reichtum viele Menschen in Bewegung: Australien, die USA und Südafrika wurden zum Ziel für die sprichwörtlichen "Goldgräber" aus zahllosen Ländern. Als berühmtestes Beispiel gilt der Goldrausch an den Flüssen Klondike und Yukon in Nordamerika, an denen unzählige Goldgräber zu Ruhm und Reichtum gelangen wollten. Ein Traum, der sich jedoch nur für wenige von ihnen erfüllte.[2] Geradezu eine Verkörperung dieses „American Dream“ stellt ein Gold-Nugget dar, das heute im kleinen Ort Leidringen auf der Schwäbischen Alb aufbewahrt wird. Es erzählt die Geschichte des schwäbischen Bauernsohnes Andreas Huonker aus Leidringen, der im September 1896 vor Ausbruch des Goldrush am Klondike zu Wohlstand kam: Vom Tellerwäscher oder Goldwäscher zum Millionär. Wer war aber dieser Andreas Huonker überhaupt? Welche Verbindungen schaffte und schafft das Nugget zwischen Nordamerika und dem schwäbischen Leidringen?
Geschichte des Gold-Nuggets aus Leidringen
Bei dem Objekt handelt es sich um ein Gold-Nugget, das in einer Goldkapsel aufbewahrt wird. Aktuell befindet sich das Objekt im Heimatmuseum der Trachtengruppe Leidringen in Rosenfeld-Leidringen im Zollernalbkreis in einer Vitrine. Neben dem Nugget sind in der Vitrine noch weitere Objekte, die mit Huonker verbunden sind, ausgestellt: Die Passagierliste, die seine Auswanderung im Jahr 1869 nach New York verzeichnete, Fotografien von ihm und seiner Frau sowie ein 1909 erstellter Scheck in Höhe von 100$. Der materielle Wert des Nuggets beträgt laut Bernd Ruf vom Heimatmuseum Leidringen 260$. Ins Museum gelangte das Nugget vor etwa zehn Jahren auf Initiative der Albstädterin Anne-Marie Schaudt, der Urgroßnichte Andreas Huonkers. Davor wurde es innerhalb der Familie weitervererbt. Im Museum wird das Nugget nun in einem Raum zusammen mit historischen landwirtschaftlichen Geräten und Feuerwehrequipment aus Leidringen gezeigt. Das Nugget ist so Teil der Präsentation der Heimatgeschichte Leidringens und dokumentiert die Migrationsgeschichte Leidringens im 19. Jahrhundert. Laut Bernd Rau soll es demnächst im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart im Ausstellungsbereich, der sich mit der Migrationsgeschichte Baden-Württembergs beschäftigt, ausgestellt werden.
Die Lebensgeschichte Andreas Huonkers bis 1896
Andreas Huonker wurde 1852 als eines von neun Kindern eines Leidringer Kleinbauern geboren. 1869 emigrierte er im Alter von 17 Jahren auf dem Schiff „Germania“ unter Verzicht auf sein württembergisches Bürgerrecht nach New York. Dieser Vorgang der Auswanderung wurde vom württembergischen Staat seit Ende der 1840er-Jahre aktiv gefördert, um die Staatskassen zu entlasten.[3] Im Zeitraum von 1815 bis 1871 emigrierten 400.000 Menschen aus Württemberg, davon drei Viertel in die USA. Weitere 100.000 Menschen emigrierten bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges in die USA.[4] In den USA arbeitete Huonker zwölf Jahre lang als Bergmann in den Rocky Mountains, bevor er ab dem Frühjahr 1894 im Northwest Territory nach Gold schürfte. Am Klondike River steckte er 1896 auf der Suche nach Gold ein Gebiet als Claim ab. Nach der Registrierung eines Claims erhält der Finder die dort gefundenen Bodenschätze, darf Rodungen durchführen und Gebäude errichten. Mithilfe eines Münzwurfes erwarb Hunoker den Anspruch auf den Claim gegen seinen schwedischen Partner Charles M. Johnson.[5] Beide schürften Gold mit bescheidenen technischen Hilfsmitteln wie mit Goldwaschpfannen oder Schaufeln.
Das Gold-Nugget als Symbol für Glück und Pech für Huonker
Das Gold-Nugget symbolisiert gewissermaßen das Glück wie auch das Pech des Goldgräbers Huonker. Das Glück war ihm beim Erwerb des Claims durch den Münzwurf hold. Er war der zweite Mensch nach George Carmack, der am Klondike Gold fand. Huonker hatte in diesem Fall das Pech, dass die Menschheit sich selten an den Menschen erinnert, der als zweites eine außergewöhnliche Leistung vollbrachte oder eine epochale Neuigkeit als Zweiter entdeckte. Das dürfte ihm im Vergleich zu Carmack den ewigen Ruhm gekostet haben. Huonker verkaufte seine Claims im Jahre 1897 an die Freimaurervereinigung „Yokon Order of Pioneers“ für eine Summe, die mittlerweile (Stand Ende 2012) 3,2 Millionen Dollar betragen würde.[6] Dadurch war Andreas Huonker ein gemachter Mann. Jedoch offenbarte dieser Augenblick des Triumphes auch eine Tragik: Er verkaufte seinen Claim, bevor die Goldfunde am Klondike bekannt wurden – und damit zu früh.[7] Bei einem späteren Verkauf hätte er deutlich mehr Geld für diesen verlangen können. Ein Grund für den zu frühen Verkauf könnte sein, dass die ersten Funde am Klondike anfangs von anderen Goldgräbern nicht ernstgenommen wurden. Vor allem Carmack hing ein zweifelhafter Ruf unter den anderen Goldgräbern an, was neben der geographischen Abgeschiedenheit zu einer Verzögerung zwischen den ersten Goldfunden und dem Beginn des Goldfiebers zusammenhängen könnte.[8]
Huonker lebte später in Kalifornien und investierte sein Vermögen in Immobilien. Diese vermeintlich sichere Anlage erwies sich jedoch als trügerisch: Nach dem Erdbeben von 1906 in San Francisco verlor er einen Großteil seines Vermögens.[9]
Spuren Andreas Huonkers in Nordamerika und Schwaben
Welche Spuren hat Andreas Huonker in Nordamerika und in Schwaben hinterlassen? Im kanadischen Territory Yukon ist Huonker heute noch präsent. So sind auf dem Gebiet seines ehemaligen Claims ein Bach, das Tal, ein Berg und eine Straße nach ihm benannt und firmieren als Hunker Creek, Hunker Valley, Hunker Summit und als Hunker Road.[10] Auch ist Huonker im Goldgräbermuseum in Dawson City verewigt. Seine schwäbische Heimat Leidringen profierte auch von Huonkers Goldfunden. Bei seinem Deutschlandbesuch im Jahre 1901 finanzierte er im Leidringer Rathaus das erste Telefon des Ortes.[11] Das durch den Goldfund erwirtschaftete Vermögen half somit, eine Verbindung Leidringens in die weite Welt zu schaffen. Ansonsten ist von seinem Deutschlandaufenthalt nur noch bekannt, dass er diesen mit seiner schwedischen Frau auf dem Schiff „Fürst Bismarck“ antrat.[12]
Seiner Familie half er durch die Überweisung von Geldbeträgen. Das Gold-Nugget und die Kapsel sind ein Beispiel für dementsprechende Transferzahlungen. Ein weiteres Beispiel ist ein Brief aus dem Jahre 1909. In diesem schickte er seinem Schwager einen Scheck in Höhe von 100$, was umgerechnet 418 Mark und 41 Pfennig entsprach.[13] Dieser Scheck ist ein Beweis für Transferzahlungen von Migranten an die Verwandtschaft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Dies sind jedoch nur die Spuren, die Huonker zu Lebzeiten in seiner alten Heimat hinterließ.
Bezugnehmend auf seine Lebensgeschichte gab es im Jahre 2012 ein Nachfahrentreffen der Huonkers in der Gaststätte Sonne in Leidringen. Des Weiteren reiste Huonkers Urgroßnichte Anne-Marie Schaudt nach Kanada, wo sie den heutigen Besitzer des Huonker-Claims traf.[14] Das Nugget hat hierbei die Funktion eines Familienerbstückes über einen Zeitraum von 100 Jahren. Die Lebensgeschichte des Gold-Huonkers war anscheinend so faszinierend, dass das Nugget in diesem Zeitraum als Familienerbstück weitervererbt und nie zu Geld gemacht wurde.
Andreas Huonker war und ist ein Verbindungsstück zwischen dem kleinen Leidringen und Nordamerika, eine Personifikation des „American Dream“ und ein Beispiel für Transferzahlungen von Migranten in die Heimat. Auch heute führt die Lebensgeschichte des Gold-Huonkers und Gold als Symbol für Reichtum die Menschen in Leidringen und Nordamerika noch zusammen.
Ein Beitrag von Lukas Schultze-Melling
Verwendete Literatur:
Conzelmann, Rosalinde: Der Gold-Huonker im Hunker-Tal, in: Heimatkundliche Blätter Zollernalb, Jg. 58/10, 2011, S. 3.
Ferrel, Ed (Hrsg.): Biographies of Alaska,Yukon Pioneers 1850-1950. Bd. 2, Westminster, MD. 2008
Grewe, Bernd: Gold. Eine Weltgeschichte, München 2019.
Hunt, William R.: „Klondike”. Die wilden Jahre in Alaska, aus dem Englischen übersetzt von Frederick P. Mill, Düsseldorf/Wien 1977. [Originalausgabe: William R. Hunt: NORTH OF 53°, New York 1974.]
Krebber, Jochen. Württemberger in Nordamerika. Migration von der schwäbischen Alb im 19. Jahrhundert, Stuttgart 2014 (= Transatlantische Historische Studien, 50).
Meier-Braun, Karl-Heinz/Reinhold Weber: Kleine Geschichte der Ein- und Auswanderung in Baden-Württemberg, Leinfelden-Echterdingen 2009.
Museum-digital:baden-württemberg: Geldanweisung per Post, online verfügbar unter: https://bawue.museum-digital.de/object/2549 (29. 01.2023).
Ruf, Margit (24.02.2012): Auf den Spuren des „Gold-Huonker“, in: Schwarzwälder Bote, online verfügbar unter: https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.rosenfeld-auf-den-spuren-des-gold-huonker.353763a9-c8ec-4c32-b80f-a9547235e1e6.html (29. 01.2023).
Stadtarchiv der Stadt Rosenfeld: Die interessante Lebensgeschichte des „Gold-Huonkers“, Online verfügbar unter: https://www.rosenfeld.de/mein+rosenfeld/stadt+portrait/stadtarchiv (29. 03.2023).
Fußnoten:
[1] Vgl. Bernd Grewe, Gold. Eine Weltgeschichte, München 2019, S. 10.
[2] Vgl. ebd., S. 12.
[3] Vgl. Karl-Heinz Meier-Braun/Reinhold Weber: Kleine Geschichte der Ein-und Auswanderung in Baden-Württemberg, Leinfelden-Echterdingen 2009, S. 84.
[4] Vgl. Jochen Krebber. Württemberger in Nordamerika. Migration von der schwäbischen Alb im 19. Jahrhundert, Stuttgart 2014 (= Transatlantische Historisch Studien, 50), S. 29.
[5] Vgl. Webseite des Stadtarchivs der Stadt Rosenfeld: Die interessante Lebensgeschichte des „Gold-Huonkers, Online verfügbar unter: https://www.rosenfeld.de/mein+rosenfeld/stadt+portrait/stadtarchiv (29.03. 2023).
[6] Vgl. Webseite Stadtarchiv Rosenfeld, Lebensgeschichte Gold Huonker.
[7] Vgl. ebd.
[8] Vgl. William R. Hunt: „Klondike”. Die wilden Jahre in Alaska, Düsseldorf/Wien 1977, S. 46.
[9] Vgl. Webseite Stadtarchiv Rosenfeld, Lebensgeschichte Gold-Huonker.
[10] Margit Ruf (24.02.2012): Auf den Spuren des „Gold-Huonker“, in: Schwarzwälder Bote, online verfügbar unter: https://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.rosenfeld-auf-den-spuren-des-gold-huonker.353763a9-c8ec-4c32-b80f-a9547235e1e6.html (29.01.2023).
[11] Vgl. Webseite Stadtarchiv Rosenfeld, Lebensgeschichte Gold-Huonker.
[12] Vgl. ebd.
[13] Museum-digital:baden-württemberg: Geldanweisung per Post, online verfügbar unter: https://bawue.museum-digital.de/object/2549 (29. 01.2023).
[14] Vgl. Rosalinde Conzelmann: Der Gold-Huonker im Hunker-Tal, in: Heimatkundliche Blätter Zollernalb, 2011, Jg. 58/10, S. 3.
Wir wünschen viel Freude mit unseren sieben globalen schwäbischen Objekten und ihren Geschichten:
1. Clemens Eberlein: „Orakel in Ulm“
2. Ingo Fiegenbaum: „Schwäbisches Medusenhaupt“
3. Milena Frieling: „Ein Winkelmessgerät in der Wunderkammer?“
4. Sonja Friese: „Von der Mine ins Museum. Die außergewöhnliche Karriere eines Kohlestücks“
5. Rebecca Kowalski: „Tradition im Wandel? Die Schramberger Fasnet“
6. Carolin Mai: „Ein Sticker auf Reisen“
7. Lukas Schultze-Melling: „Goldene Grüße aus Übersee“
Seminargruppe, Redaktion: Sonja Friese und Christina Brauner
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