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Interaktiv Tübingens NS-Geschichte lernen und erfahren? Der „Room of Memories“ im Stadtmuseum Tübingen


Besucherin beim Auswählen eines Gegenstandes, Bild: Stadtmuseum Tübingen.
Besucherin beim Auswählen eines Gegenstandes, Bild: Stadtmuseum Tübingen.

Im zentral gelegenen Stadtmuseum Tübingen wird die Tübinger Stadtgeschichte gezeigt. Durch zahlreiche Sonderausstellungen werden unterschiedlichste Tübinger Geschichten erzählt und präsentiert. Als wichtiger Teil der Stadtgeschichte wird die NS-Zeit in einer eigenen Dauerausstellung gezeigt und das auf zwei unterschiedliche Arten. Zum einen gibt es, wie aus vielen Museen bekannt, die klassisch aufbereiteten Informationen, die Besucher*innen durch Objekte und Texte vermittelt bekommen. Zum anderen bietet das Stadtmuseum Tübingen einen Raum für eine interaktive und partizipative Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Tübingen mit dem „Room of Memories“. 

 

Dieser „Raum der Erinnerungen“ ist ein sogenanntes Serious Game, also ein Spiel, welches ernste Themen durch spielerisch gestaltete Inhalte vermittelt. Da das Spiel zentral auf den Austausch der Teilnehmer*innen aufbaut, kann der Raum nur in Gruppen von zwei bis vier Personen besucht werden. Am besten reserviert man sich über die Homepage des Stadtmuseums Tübingen einen Termin oder fragt an der Kasse nach, ob der Raum gerade frei ist. Als „Spielzeit“ ist ca. eine Stunde einzuplanen, die Zeit variiert aber je nach Diskussionsfreude der Teilnehmer*innen. Jeder der möchte, kann und darf den Raum besuchen und spielen, aber das Angebot richtet sich vorwiegend an Menschen zwischen 16 und 25 Jahren.

 

Erste Station im Room of Memories, Bild: Stadtmuseum Tübingen.
Erste Station im Room of Memories, Bild: Stadtmuseum Tübingen.

Das „Spiel“ beginnt, indem man einen Gegenstand auswählt, der an früher erinnert: zum Beispiel ein Nintendo DS, eine alte Bravo Zeitschrift, eine Kassette oder andere Gegenstände, die man aus der eigenen Kindheit kennt. Sobald man fündig geworden ist, legt man die Gegenstände auf die dafür vorgesehene Fläche - ein Telefon klingelt, jetzt geht es los. Die Stimme aus dem Telefon erklärt nun den Ablauf. Bevor man den Dachboden betreten kann, muss man sich eine Eigenschaft aussuchen, mit der man sich identifizieren kann: Gut zuhören, Humor haben, kritisch denken oder Ähnliches. Sobald alle Teilnehmer*innen etwas Passendes gefunden haben, öffnet sich die Tür des Dachbodens. Die Stimme aus dem Telefon erklärt das weitere Vorgehen, jede*r schnappt sich eine Taschenlampe und kann damit dann anschließend den kleinen, als Dachboden gestalteten „Room of Memories“ erkunden. Zu sehen sind verschiedene Gegenstände, die an die Zeit des Nationalsozialismus erinnern oder direkt aus dieser Zeit stammen.

 

Nachdem man sich etwas umgeschaut hat, kommt nun der eigentliche Hauptteil des Serious Games. Die Teilnehmer*innen setzen sich vor einen schön verzierten Bildschirm, der das Spiel von nun an begleiten und anleiten wird. Über das Auswählen verschiedener Gegenstände, die sich im Raum befinden, werden den einzelnen Teilnehmer*innen unterschiedliche Geschichten und Personen aus dem Nationalsozialismus mit Bezug zu Tübingen vorgestellt. Aufgabe ist es, sich in die beschriebene Situation hineinzuversetzen und zu diskutieren, wie man sich verhalten hätte. Dabei kann man auch die Eigenschaft, die man zu Beginn des Spiels ausgesucht hat, mit in die Entscheidungsfindung einbeziehen. Sobald man sich entschieden hat, wird man nach einer Einschätzung zu den Folgen der Handlungen gefragt. In der Gruppe soll diskutiert werden, ob die Handlung, für die man sich entschieden hat, positive oder negative Folgen für die entsprechende Person gehabt hätte.

 

 

Besucher*innen im Room of Memories, Bild: Stadtmuseum Tübingen.
Besucher*innen im Room of Memories, Bild: Stadtmuseum Tübingen.

 Wenn auch diese Diskussion beendet ist, erklärt die Stimme, welche Folgen die zuvor ausgewählten Handlungen vermutlich im nationalsozialistischen Regime gehabt hätten. Jede*r Spieler*in kann in den verschiedenen Runden zwischen unterschiedlichen Gegenständen wählen. Dadurch ist es auch möglich, den „Room of Memories“ mehrfach zu besuchen und zu spielen. Sobald das Spiel beendet ist, bekommt jede*r Teilnehmer*in eine Karte, auf welcher die tatsächlich historisch belegbare Tübinger NS-Geschichte erläutert wird. Man kann damit final abgleichen, ob man sich wie die Tübinger*innen dieser Zeit entschieden oder einen anderen Weg eingeschlagen hätte - auch wenn die Umstände nicht vergleichbar sind.

 

Lohnt sich ein Besuch?

Kurz um: Ja, es bedarf jedoch einiger Vorkenntnisse zur Geschichte des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit. Zwar wird den Teilnehmer*innen durch Bilder und einzelne knappe Informationen eine kleine Einführung in Thema und Zeit geboten, aber ganz ohne historische Vorkenntnisse ist die Diskussion schwer zu führen. Insgesamt bietet der „Room of Memories“ eine willkommene Abwechslung durch den interaktiven Ansatz der Ausstellung. Die Teilnehmer*innen lernen einzelne Tübinger Geschichten aus dem NS kennen und vor allem wird eine persönliche Diskussion zum Thema angeregt. Schlussendlich bleibt es unmöglich, sich in die damalige Gesellschaft vollständig hineinzuversetzen und die Antworten der Besucher*innen würden möglicherweise von den tatsächlichen Entscheidungen in der Situation und Zeit abweichen. Dennoch schaffen es der „Room of Memories“ und die aktive Teilnahme am Spiel, zum Nachdenken und Diskutieren anzuregen - ein Besuch ist daher sehr zu empfehlen!

 

 

 

Ein Beitrag von Heriett Müller


Daten im Überblick:

Name: Room of Memories (Teil der Daueraustellung)

Adresse: Stadtmuseum Tübingen, Kornhausstraße 10, 72070 Tübingen

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 11 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 19 Uhr 

Eintritt: frei

Homepage des Stadtmuseums: https://www.tuebingen.de/stadtmuseum/35359.html (externer Link, letzter Zugriff am 24.07.23)

 

Werbevideo zum Room of Memories: https://youtu.be/ekdf475oR9Y  (externer Link, letzter Zugriff am 24.07.23)


Alle Bilder abrufbar unter: URL: https://www.tuebingen.de/stadtmuseum/35359.html (28.9.23).


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