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Jurist, Diplomat, Kolonialgouverneur: Ein schwäbischer Beamter auf Mission


Julius von Soden, Bild: Wikimedia Commons.*
Julius von Soden, Bild: Wikimedia Commons.*

Fünf Jahre Gouverneur von Kamerun, zwei Jahre von Deutsch-Ostafrika – und trotzdem bis heute weitgehend unter dem Radar: Das ist Julius von Soden, der am 3. Februar 1921 in Tübingen starb.[1] Er tat sich nicht durch hemmungslose Gewaltexzesse hervor, doch aus heutiger Perspektive würde man manches an seiner Amtsführung sicherlich kritisieren können.

 

1846 kam er in Ludwigsburg zur Welt, absolvierte 1864 in Stuttgart das Abitur. Er ging nach Tübingen zum Jurastudium, später nach Göttingen. Es folgte eine glatte Laufbahn hin zum Juristen bis zum zweiten Staatsexamen 1871, unterbrochen vom Deutsch-Französischen Krieg, an dem von Soden als Freiwilliger teilnahm. Der Jurist wechselte in den diplomatischen Dienst: Von 1872 bis 1884 amtierte er als Konsul in zahlreichen Städten von Lima bis Guangzhou. 1885 wurde er dann Gouverneur von Kamerun.[2]

 

Dort sollte er zunächst neue Strukturen im frisch erworbenen „Schutzgebiet“ schaffen, fand aber bereits weitverzweigte Strukturen ausbeuterischer Unternehmer vor und besaß zunächst wenig politische Handhabe.[3] Besonders engagiert zeigte er sich in der Schulpolitik und gründete 1887 in Kamerun eine konfessionslose Regierungsschule. Vorbild war Daressalam in der Kolonie Deutsch-Ostafrika, wo er dieses Konzept kennengelernt hatte.[4] Die konfessionslose Schule bedeutete eine staatliche Konkurrenz für die bereits etablierten kirchlichen Missionen.[5]

 

Prägend für seine Zeit in Kamerun war der Konflikt mit der Königsfamilie Bell von der Volksgruppe der Duálá. King Bell stritt sich mit seinen Brüdern um die Macht, die von der konkurrierenden Herrschaftsfamilie der Akwa unterstützt wurden; tatsächlich es ging vor allem um den einträglichen Flusshandel.[6] Es kam gar zu einer zweijährigen Verbannung des Bell-Sohns Manga ins benachbarte Togo durch Julius von Soden. Der Neffe von König „King“ Bell, Alfred, beschwerte sich bei Aufenthalten in Deutschland über von Soden.[7] 1888 wandte sich King Bell in einem persönlichen Brief an Bismarck: Als deutscher Gouverneur hatte sich von Soden  wiederholt herablassend und rassistisch über die Kameruner geäußert.[8]

 

Karte der betroffenen Gebiete. Bild: Wikimedia Commons.**
Karte der betroffenen Gebiete. Bild: Wikimedia Commons.**

Ab 1891 war Julius von Soden Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, wo er nach der rohen Gewalt und exzessiven Geldverschwendung Hermann Wissmanns einen Politikwechsel einleiten sollte.[9] Wie zuvor in Kamerun fehlte es ihm auch hier gegenüber dem Militär an Durchsetzungskraft; Kolonialverbrecher wie Carl Peters agierten weiter hinter dem Rücken des Gouverneurs.[10] Sein Ziel des Aufbaus eines Systems von Regierungsschulen verfolgte er auch in Ostafrika in erneuter Konkurrenz zu den Missionsschulen, um so indigene Helfer für die Kolonialverwaltung auszubilden. Statt von der Berliner Regierung wurden diese von der Deutschen Kolonialgesellschaft finanziert.[11] Weil die neuen Plantagen (Hanf, Baumwolle, vor allem Kaffee) dringend Arbeitskräfte benötigten, wurden unbezahlbar hohe Steuern erhoben, die einen Arbeitszwang bewirkten oder Menschen in die Sklaverei stießen.[12] 1893 beendete Julius von Soden seinen Dienst in der Kolonie, wohl aufgrund wiederkehrender Gesundheitsprobleme.[13] Der zu seiner Amtszeit begonnene Widerstandskampf der Hehe unter Führung von Chief Mkwawa dauerte noch bis zu dessen Tod 1898, der Vernichtungskrieg gegen die Hehe ist heute fast vergessen.[14]

 

Von 1900 bis 1906 diente von Soden in seiner Heimat Württemberg als Außen‑ und Verkehrsminister, zuständig insbesondere für Eisenbahn und Post. Danach wurde er zum Kabinettschef des württembergischen Königs berufen.[15] In seinen späteren Jahren gab er sich schließlich vermehrt den Musen hin und war u. a. in der Leitung eines Literatur‑ sowie eines Kunstvereins tätig.[16] Aber auch in den Kolonien blieb er präsent: Von Soden wurde Anteilseigner und Aufsichtsratsmitglied einer Dachgesellschaft für Plantagen in Kamerun.[17] 1920 wurde er wieder in seiner alten Heimat Tübingen heimisch, wo er 1921 zwei Tage vor seinem 75. Geburtstag starb.[18]

 

100 Jahre nach seinem Tod spielt Julius von Soden in der Erinnerung eine recht unauffällige Rolle. Zwar war seine koloniale Amtsführung nicht von schwerwiegenden Gewaltexzessen geprägt; dennoch dürfen einige Aspekte seiner Politik als äußerst ambivalent angesehen werden. Er war Teil eines auf Unterdrückung basierenden Systems und verlieh diesem mit seinem Ziel weicher Dominanz einen zivilen Anstrich. Sein bemerkenswerter Werdegang als Diplomat, Minister in Württemberg und Kolonialgouverneur zeigt überdies, wie technisch und zweckorientiert das politische Großprojekt der deutschen Kolonien teilweise angegangen wurde.

 

Seiner eher leisen Kolonialpolitik ist es auch zu verdanken, dass er von einer Kommission im Auftrag der Stadt Düsseldorf 2018 als „historisch minderbelastet“ eingestuft wurde – die 1936 erschaffene Sodenstraße in einem Düsseldorfer Stadtteil könne demnach bleiben. Die nach seinen Antipoden Wissmann und Peters benannten Straßen wurden dagegen zur Umbenennung vorgeschlagen.[19] Nach 100 Jahren verblasst zwar die Erinnerung an „minderbelastete“ und weniger gewalttätige Kolonialisten; doch leisteten auch Spitzenbeamte wie von Soden einen wesentlichen Beitrag zur kolonialen Durchdringung und Unterwerfung und legten die Fundamente für ein nicht anders als ausbeuterisch zu beschreibendes Plantagensystem in Kamerun wie in Ostafrika. Diese „Kulturleistungen“ und ihre Protagonisten sollten nicht übersehen werden.

 

Ein Beitrag von Maren Brugger und Johannes Thiede


Fußnoten (externe Links, letzter Zugriff am 02.02.2021):

[1] Nachruf, in: Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen 61 (1921), 112.

[2] Freiherr von Soden, Julius August Constantin Franz Heinrich, in: LEO-BW, via https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/117459321/Freiherr+von+Soden+Julius+August+Constantin+Franz+Heinrich (Abruf 2. Februar 2021).

[3] Theil 2017, 210–213.

[4] Haschemi Yekani 2019, 115f.

[5] Theil 2017, 210–213.

[6] Austen/Derrick 1999, 86.

[7] Austen/Derrick 1999, 104.

[8] Michels, Stefanie: Julius von Soden, via http://deutschland-postkolonial.de/portfolio/soden/ (Abruf 2. Februar 2021).

[9] Theil 2017, 210–213; Klein-Arendt 2005, 33.

[10] Klein-Arendt 2005, 33f.

[11] Haschemi Yekani 2019, 116.

[12] Antosch, Jan: Die Kolonie Deutsch-Ostafrika, in: LeMO (2. November 2004), via https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/aussenpolitik/die-kolonie-deutsch-ostafrika.html (Abruf 2. Februar 2021).

[13] Theil 2017, 210–213.

[14] Die ZEIT vom 30.7.1998: Sie haben es so gewollt (Thomas Morlang).

[15] Nachruf, in: Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen 61 (1921), 112; Theil 2017, 210–213.

[16] Ettlich, Guido: Konsul Albert Schwarz, 2. Aufl. Berlin 2019, 83.

[17] Michels, Stefanie: Julius von Soden, via http://deutschland-postkolonial.de/portfolio/soden/ (Abruf 2. Februar 2021).

[18] Theil 2017, 210–213.

[19] Abschlussbericht des Beirats zur Überprüfung Düsseldorfer Straßen- und Platzbenennungen (18. Oktober 2018), via https://www.duesseldorf.de/fileadmin/Amt13/presseanhang/2001/200123Abschlussbericht_Strassennamen.pdf (Abruf 2. Februar 2021), 3, 19, 214f. 

 

Literatur:

Austen, Ralph A./Derrick, Jonathan: Middlemen of the Cameroons Rivers. The Duala and Their Hinterland, c.1600–c.1960, Cambridge 1999.

Gründer, Horst: Christliche Mission und deutscher Imperialismus. Eine politische Geschichte ihrer Beziehungen während der deutschen Kolonialzeit (1884–1914) unter besonderer Berücksichtigung Afrikas und Chinas, Paderborn 1982.

Haschemi Yekani, Minu: Koloniale Arbeit. Rassismus, Migration und Herrschaft in Tansania (1885–1914), Frankfurt am Main 2019.

Klein-Arendt, Reinhard: Ein Land wird gewaltsam in Besitz genommen. Die Kolonie Deutsch-Ostafrika, in: Beez, Jigal/Becker, Felicitas (Hg.): Der Maji-Maji-Krieg in Deutsch-Ostafrika 1905–1907, Berlin 2005, 28–48.

Rückert, Maria-Magdalena: Julius von Soden, in: Theil, Bernhard (Hg.): Württembergische Biographien. Band III, Stuttgart 2017, 210–213.

 

Bilder:

*Oberes Bild:

Julius von Soden: Wikimedia Commons, via https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Julius_von_Soden.jpg (externer Link, letzter Zugriff am 02.02.2021), gemeinfrei.

**Unteres Bild:

Karte: Wikimedia Commons/Eric Gaba/P. S. Burton, via https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Colonial_Africa_1913_Germany_map.svg (externer Link, letzter Zugriff am 02.02.2021), Lizenz CC-BY SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de), Texte eingefügt.


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