Ob Tübinger*in oder Tourist*in, alle finden mindestens einmal den Weg zum Schloss, das hoch über der Stadt thront. Bevor man das Schloss betreten kann, erhebt sich eindrucksvoll das Portal. Der Aufbau erinnert an einen römischen Triumphbogen. Zu beiden Seiten des Durchgangs finden sich große Säulen und über allem ist das herzogliche Wappen Friedrichs I. von Württemberg (1557–1608) angebracht (vgl. Abb. 1). Er hatte dieses untere Schlossportal im Jahr 1606/1607 in Auftrag gegeben. Das Wappen ist das zentrale Element des gesamten Portals und zeichnet sich durch eine vielschichtige Ornamentik aus. Doch welche Bedeutung verbirgt sich hinter diesem kunstvoll gestalteten Wappen?
Das Wappen Friedrichs I.
Das vierteilige Wappen war zum Zeitpunkt des Baus bereits über 100 Jahre das herrschaftliche Zeichen der Württemberger. Es setzt sich aus vier Elementen zusammen: Die drei übereinanderstehenden Hirschstangen sind das seit dem 13. Jahrhundert belegte Wappen der Württemberger, das über die Jahrhunderte erweitert wurde. Die gelb-schwarzen Rauten wurden nach der Erwerbung der Grafschaft Teck hinzugefügt. Durch die Erwerbung der Grafschaft Mömpelgard kamen zwei Fische als deren Zeichen hinzu. Das letzte Element des Wappens stellt die sogenannte Reichssturmfahne dar, die von den württembergischen Grafen und Herzogen im Krieg für den Kaiser getragen wurde.[1] Ungewöhnlich selbst für Kenner*innen der württembergischen Herrschaftszeichen dürfte ein anderes Merkmal erscheinen: Das Wappen wird umrahmt von einer überdimensionalen Nachbildung des exklusivsten britischen Hosenbandordens und dem zugehörigen Leitspruch “Honi soit qui mal y pense” (etwa: Beschämt sei, wer schlecht darüber denkt). In der Version am Schlossportal fehlt jedoch das “i” beim Wort ‚Honi‘. Möglicherweise ist der fehlende Buchstabe abgefallen oder im Nachhinein entfernt worden. Sehr wahrscheinlich handelte es sich um einen baulichen Fehler des ausführendenden Steinmetzes handelte, der im Nachhinein nicht mehr zu korrigieren war. Das Band wird zusätzlich von Symbolen eines weiteren Ordens umschlossen: einer Kette aus Muscheln, die mit einem Medaillon geschlossen wird. Es handelt es sich um einen Michaelsorden, der seit 1469 von den französischen Königen verliehen wurde. Das Wappen Herzog Friedrichs wurde hier somit gemeinsam mit den Orden zweier wichtiger Königshäuser dargestellt.[2]
Ein anerkannter Herrscher in Europa – die Orden Friedrichs I.
Weshalb wurde das württembergische Wappen in solcher Prominenz von zwei europäischen Orden umrahmt? Zentral ist hierbei das Bild, das Auftraggeber Herzog Friedrich I. vermitteln wollte. Sein Herrschaftsverständnis kommt am besten im Titel zum Ausdruck, den eine Ausstellung des württembergischen Staatsarchivs gewählt hatte: ‘Fürst ohne Grenzen’ (externer Link).[3]
Friedrich kam 1593 in Württemberg an die Macht. Er übernahm die Herrschaft von seinem Cousin, der ohne Nachkommen gestorben war.[4] Friedrich war als Graf von Mömpelgard (frz. Comte de Montbéliard) in den linksrheinischen Gebieten des Hauses Württemberg aufgewachsen und hatte dort den französischen Absolutismus kennengelernt. Zu dieser Zeit wurde das Herzogtum Württemberg vom konfessionellen Gegensatz zwischen katholischen und protestantischen Untertanen geprägt. Gleichzeitig zeigten die Herzöge einen intensiven Willen zur Durchsetzung der Herrschaft nach innen. Besonders wichtig war Friedrich die eigene Prä- und Repräsentation, auch im internationalen Vergleich. Dafür begab sich der Herzog auf mehrere Reisen und versuchte auf diesen, mehrere Orden zu erlangen. Im Jahr 1596 wurde ihm der St. Michaels-Orden vom französischen König verliehen. Dies war ein Zeichen des Danks für die finanzielle Unterstützung durch den württembergischen Herzog.[5]
Der englische Hosenbandorden – eine bedeutende Auszeichnung
Friedrichs Ziel war jedoch der weitaus prestigeträchtigere Hosenbandorden. Auf seiner Englandreise 1592 bat Friedrich bei Königin Elisabeth I. (1533–1603) persönlich um seine Aufnahme in den Orden. Diese Bitte blieb vorerst ohne Erfolg und er wurde auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet. Er schickte nun den Tübinger Hans Jakob Breuning als seinen Sondergesandten an den englischen Hof der den Anspruch erneuern und bekräftigen sollte. Elisabeth I. vertröstete ihn erneut und verwies darauf, dass auch andere Herrscher, wie etwa der König von Frankreich, bereits auf die Aufnahme warteten. Nach weiteren Bittschriften an die Königin ließ diese Friedrich 1597 seine Aufnahme in den Orden mitteilen. Aber erst 1603, also 6 Jahre später, unter Elisabeths Nachfolger James I., wurden Friedrich die Insignien des Ordens zugesandt und er somit offiziell aufgenommen. Die Verleihung wurde in Stuttgart groß gefeiert. Bei dem mehrtägigen Fest sind einem zeitgenössischen Bericht zufolge über 6.000 Ochsen und 140.000 Liter Wein konsumiert worden. Die Kosten von 60.000 Gulden entsprachen einem Viertel des Landeshaushalts.[6] Der finanzielle Aufwand zur Feier unterstreicht die Bedeutung des Ordens für Friedrich: Seit 1599 war das Württembergische Herzogtum nicht länger ein Afterlehen des österreichischen Herzogs.[7] Die Afterlehensschaft stellte einen Prestigeverlust und eine Unsicherheit für die Herrschaft der Württembergischen Herzöge dar. Sie waren nicht mehr dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches unterstellt, sondern pro forma Vasallen der österreichischen Herzöge.[8] Aus diesem Grund war die die Anerkennung des französischen Königs durch den Michaels-Orden und die Aufnahme in den Hosenband-Orden durch die englische Königin von großer Bedeutung.
Eine Machtdemonstration auf dem Tübinger Schlossportal
Die Ehre der Verleihung des in ganz Europa begehrten Ordens wurde deshalb auch im Prunkbau des unteren Schlossportals für alle sichtbar gemacht. Der Prunk des Portals und die abgebildeten Symbole demonstrieren den Herrschaftsanspruch und spiegeln das Selbstverständnis des württembergischen Herzogs. Die Verbreitung der Verleihung des Hosenbandordens zeigte sich aber nicht nur am Fest und dem Bau des unteren Schlossportals. Herzog Friedrich ließ sich zusätzlich im Ornat des Ordens porträtieren und eine Medaille mit demselben Motiv prägen (vgl. Abb. 4).
Das untere Schlossportal der Tübinger Residenz ist somit Ausdruck der angestrebten absoluten herrschaftlichen Macht Herzog Friedrichs I. Das Zusammenspiel aus Zurschaustellung von Prunk, politischer Autonomie, von erworbenem Ruhm und militärischer Stärke sollten die herzoglichen Gäste wie auch die Tübinger Stadtbevölkerung von der Macht und dem Status des Herzogs überzeugen. Dass der Bau Gäste zum Staunen bringt, sieht man noch heute, wenn der steile Berg zum Schloss erklommen wurde und luftholend vor dem Portal innegehalten wird.
Ein Beitrag von Alexander Oltmanns
Fußnoten:
[1] Vgl. Virtuelle Ausstellung des Haupstaatsarchivs Stuttgart. Siegel – mittelalterliche Kleinodien. URL: https://www.landesarchiv-bw.de/de/themen/praesentationen---themenzugaenge/56398 (27.05.2024).
[2] Vgl. Frommer, Heike: Das untere Schlossportal in Tübingen. Ein Bilderbuch in Stein (Kleine Tübinger Schriften Heft 41), Tübingen 2014, S. 60 f.
[3] Vgl. Ausstellung: Fürst ohne Grenzen: Herzog Friedrich I. von Württemberg (+ 1608) - Landesarchiv Baden-Württemberg URL: https://www.landesarchiv-bw.de/de/themen/praesentationen---themenzugaenge/42049 (27.05.2024).
[4] Vgl. Virtuelle Ausstellung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Siegel - mittelalterliche Kleinodien, URL: https://www.landesarchiv-bw.de/de/themen/praesentationen---themenzugaenge/42049 (27.05.2024).
[5] Vgl. Frommer, Das untere Schlossportal, S. 24.
[6] Vgl. Weiß, Michael: Das Tübinger Schloß. Von der Kriegsfeste zum Kulturbau, Tübingen 1996, S. 26 –28.
[7] Vgl. Wunder: Bernd, Kleine Geschichte des Herzogtums Württemberg, Leinfelden-Echterdingen 2009, S. 104.
[8] Vgl. Kohler, Alfred: Antihabsburgische Politik in der Epoche Karls V. Die Reichsständische Opposition gegen die Wahl Ferdinands I. zum römischen König und gegen die Anerkennung seines Königtums (1524 – 1534) (Schriftenreihe der historischen Kommission bei der bayrischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 19), Göttingen 1982, S. 367 ff.
Bilder:
*Abb. 1: Abb. 1: Das Wappen auf dem Unteren Schlossportal. Zum Vergrößern anklicken. Bild: Alexander Oltmanns.
**Abb. 2: Abb. 2: Herzog Friedrich I. von Württemberg in der Tracht des Hosenbandritters. Gemälde von 1603.
© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg. Mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.
***Abb. 3:
Herzog Friedrich I. von Württemberg erhält den Hosenbandorden - Kupferstich von 1603.
© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg. Mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.
****Abb. 4: Auswurfmünze mit Friedrich I. von Württemberg bei der Verleihung des Hosenbandordens. Bild: CC BY-SA @ Landesmuseum Württemberg. URL: https://bawue.museum-digital.de/object/2874 (22.10.2024).
Nachweise:
Frommer, Heike: Das untere Schlossportal in Tübingen. Ein Bilderbuch in Stein (Kleine Tübinger Schriften Heft 41), Tübingen 2014.
Fürst ohne Grenzen: Herzog Friedrich I. von Württemberg († 1608) - Landesarchiv Baden-Württemberg URL: https://www.landesarchiv-bw.de/de/themen/praesentationen---themenzugaenge/42049 (externer Link) (27.05.2024).
Kohler, Alfred: Antihabsburgische Politik in der Epoche Karls V. Die Reichsständische Opposition gegen die Wahl Ferdinands I. zum römischen König und gegen die Anerkennung seines Königtums (1524 – 1534) (Schriftenreihe der historischen Kommission bei der bayrischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 19), Göttingen 1982.
Virtuelle Ausstellung des Haupstaatsarchivs Stuttgart. Siegel – mittelalterliche Kleinodien. URL: https://www.landesarchiv-bw.de/de/themen/praesentationen---themenzugaenge/56398 (externer Link) (27.05.2024).
Weiß, Michael: Das Tübinger Schloß. Von der Kriegsfeste zum Kulturbau, Tübingen 1996.
Wunder, Bernd: Kleine Geschichte des Herzogtums Württemberg, Leinfelden-Echterdingen 2009.
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